Chancen und Risiken des Marketplace am Beispiel von Gourmesso
Die USA hat in Bezug auf die Tendenzen im Online-Handel eine Vorreiterposition. Zahlen zeigen, dass Amazon in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen und seine Position als wichtigstes Verkaufsportal ausbauen wird. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieser Trend auch in Europa sehr deutlich zu spüren ist. Als Start Up wagte Gourmesso, der Anbieter von Nespresso® kompatiblen Kaffeekapseln, bereits im Herbst 2013 – kurz nach seiner Gründung – die Listung bei dem E-Commerce-Riesen Amazon. Nach über zwei Jahren zieht das Berliner Unternehmen Bilanz: Welchen Herausforderungen muss sich ein junges Unternehmen stellen? Welche Chancen bietet der Marketplace und warum lohnt es sich für Gourmesso? Warum ist es ein „Krieg der Sterne“ und wie wirkt sich das Portal auf Wachstum und Umsatzsteigerung des Kaffeekapselherstellers aus?
Amazon – das wichtigste Verkaufsportal der Zukunft
Amazon ist eine der stärksten Marken weltweit. Besonders in den USA verzeichnet der Marketplace Millionen von Kunden und öffnet damit deutschen Unternehmen die Tür für einen international wichtigen Absatzkanal. Premium-Service-Versand, Video- und Musik-Streaming-Dienste, zahlreiche Zahlungssysteme, Produktvielfalt und Vergleichsoptionen, Stichwortsuche, Preistransparenz und Bewertungsmöglichkeiten überzeugen die Kunden – Warum also woanders kaufen, wenn hier alles perfekt gebündelt angeboten wird?
Welche Chancen bietet der Versandriese?
Im Herbst 2013 listete das 2012 gegründete Unternehmen Gourmesso seine Kaffeekapseln nach reichlicher Überlegung bei Amazon und öffnete damit neben Ebay und dem eigenen Online Shop einen weiteren Vertriebskanal auf internationaler Ebene. „Die klassische E-Commerce-Industrie beschäftigt sich recht wenig mit dem Marketplace-Riesen. Nach meiner Einschätzung wird Amazon in Europa in den nächsten Jahren jedoch noch stärker werden, deswegen können wir Händler die Plattform als signifikanten Vertriebskanal mit Millionen Kunden nicht ignorieren“, sagt Geschäftsführerin und Gründerin von Gourmesso, Nora Hofbauer.
Auch das Potential eine hohe Marge bei geringem Aufwand und mit stark reduzierten Marketingkosten zu erzielen, ist ein überzeugender Grund für eine Listung: „Es gehen immer 15 Prozent des Bruttoumsatzes an Amazon, das ist im Vergleich zu dem, was andere Unternehmen für Suchmaschinenmarketing ausgeben, signifikant geringer“, weiß die Unternehmerin. Bei vielen Start Ups sind die Kosten für Bannerwerbung, Newsletter Marketing und Kundenakquise größer als der eigentliche Kundenwert. Bei Amazon ist es genau andersherum – und das schon bei der ersten Bestellung.
Herausforderungen für Start Ups
Doch auch Amazon bietet den Händlern nicht nur Vorteile. Das Premium-Angebot des Marketplace verwöhnt Kunden mit schnellen Lieferungsfristen und kulantem Rückversand. Damit Händler mithalten können, müssen sie ihren Service entsprechend anpassen: „Amazon ist extrem kundenfreundlich und eher händlerunfreundlich“, so die Berliner Geschäftsführerin, „Wir haben schon aufgerissene und gebrauchte Kaffeekapselpackungen zurück bekommen und mussten den Preis dennoch zurückerstatten.“ Das sind zwar nur Einzelfälle, aber Gourmesso gibt mit der Listung einen Großteil des Handlings aus der Hand. Technische Probleme, Streik oder saisonale Hochkonjunktur wirken sich unmittelbar auf den Händler aus: „Gerade zu Weihnachten ist die Anlieferung im Amazon-Lager extrem schwierig. Wir haben schon Anliefertermine mit vier Wochen Wartezeit erhalten. Das bedeutet für uns finanzielle Verluste und verärgerte Kunden, denn so lange sind unsere Nespresso® kompatiblen Kaffeekapseln bei Amazon als „out of stock“ gekennzeichnet.“
Auch das Thema Exklusivvertriebsrecht spielt bei einer Listung eine entscheidende Rolle. Ohne dieses können Mitbewerber das eigene Produkt zu einem geringeren Preis anbieten und damit die Marge ruinieren. Als Eigenmarke achtet Gourmesso auch in Zukunft darauf, der einzige Anbieter zu bleiben. Das gilt auch für Amazon selbst. Sobald ein Produkt gefragt ist, bietet Amazon dem Händler die Möglichkeit an, das Produkt direkt zu kaufen und komplett zu vertreiben: „Das haben wir immer abgelehnt. Damit verliert der Hersteller die Kontrolle über den eigenen Preis und der eigene Online-Shop gerät in direkte Konkurrenz zur Preissetzung von Amazon. Außerdem würde die Plattform unsere Kaffeekapseln nie so gut vermarkten, wie wir es tun. Amazon gibt sich schon mit 80 Prozent potentiellem Umsatz zufrieden, wir wollen 110 Prozent!“, so die Kaffeeliebhaberin über die Vermarktung durch Amazon selbst.
Harter Krieg der (Bewertungs-)Sterne
Käuferrezensionen sind gefürchtet und geliebt zugleich. Für viele Kunden sind sie ein Anhaltspunkt für die Qualität des Produktes. Für Gourmesso ist das Feedback seiner Käuferschaft sehr wichtig und nicht zu vernachlässigen. „Wir animieren unsere Kunden stets zu einer Bewertung, da wir natürlich von unserem Kaffee überzeugt sind“, erklärt Nora Hofbauer. Erst vier Sterne und mehr gelten bei der potentiellen Käuferschaft als Qualitätsmerkmal. Doch was tun, wenn eine negative Bewertung das positive Ranking zerstört? „Mit Kundenservice begegnen, denn auch der besten Kaffeebohne kann es passieren, dass sie den Geschmack des Kunden nicht trifft“, heißt die Antwort von Gourmesso. Zum Glück kommt das bei dem Berliner Kaffeehersteller ziemlich selten vor. „Wenn Lieferung, Verpackung und Service in Ordnung waren, nur die bestellte Sorte dem Geschmack des Kaffeetrinkers nicht entsprochen hat, erhalten wir mindestens drei Sterne. Eine auffällige Ein-Stern-Bewertung bedeutet einen Totalausfall und soll der Marke oft gezielt schaden. Es kam schon vor, dass ganze Texte bei unterschiedlichen Produkten identisch waren. Amazon verfolgt das leider nicht, deswegen ist es ein harter Kampf der Sterne“, sagt die Kaffeeexpertin.
Und lohnt es sich für Gourmesso?
Ja! – Der Kapselmarkt in Deutschland ist dreimal so groß wie in den USA. Die Schätzung liegt etwa bei 600.000.000 Euro Umsatz an Nespresso® Kaffeekapseln im gesamten deutschen Markt. In den USA sind es lediglich 250.000.000 Dollar an Umsatz. Dennoch setzt Gourmesso in den USA doppelt so viel über Amazon ab wie in Deutschland. Der Marketplace ist damit zu einem relevanten Absatzkanal geworden – besonders für die USA. Ein Drittel des Umsatzes wird dort über den Versandriesen erzielt; in Deutschland liegt er noch darunter. Dennoch merkt die Kaffeekapselunternehmerin, dass sich das zunehmend ändert: „Wir haben durch die Listung bei Amazon tausende Kaffeeliebhaber dazu gewinnen können und wir merken, wie auch in Deutschland der Umsatz stetig positiv wächst und der Absatzkanal an Bedeutung gewinnt. Auch wenn es nach wie vor Amazon-Kunden sind, trinken sie unseren Kaffee. Und das ist das, was zählt!“, so die Gourmesso-Gründerin.
Nora Hofbauer ist mit der Entwicklung ihrer Marke zufrieden und wünscht sich, dass andere Start Ups ebenso mutig den Schritt auf die Plattform wagen und deren Potentiale erkennen. Dank der Vernetzung in der Berliner Gründerszene ermutigte sie bereits andere Unternehmen, sich der Risiken bewusst zu werden und die Chancen zu nutzen: „Aufgrund unserer Erfahrung sind wir bereits strategische Partnerschaften mit anderen Herstellern eingegangen, für die wir jetzt Produkte über Amazon vertreiben und regelmäßig kommen weitere Anfragen hinzu.“